Wie erinnern Russlanddeutsche und jüdische Kontingentflüchtlinge in Deutschland ihren sowjetischen Alltag, und welche Bedeutung kommt dieser Zeit in ihrem heutigen Selbstverständnis zu? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt des Teilprojekts „Alltag und Erinnerung“. Mit Hilfe lebensgeschichtlicher Interviews sowie entsprechender Archivstudien sollen die Alltagsgeschichte der späten Sowjetunion und das mit ihr verbundene „sowjetische Gepäck“ in den Blick genommen werden.
Im Mittelpunkt des Projekts steht einerseits der Landkreis Cloppenburg als ein Schwerpunkt russlanddeutschen Lebens in der Bundesrepublik. Und andererseits die jüdischen Gemeinden in Oldenburg und evtl. auch Bremen, deren Mitglieder zu gewichtigen Teilen aus der früheren Sowjetunion stammen. Beide Gruppen sollen in einer vergleichenden Perspektive daraufhin untersucht werden, inwiefern Faktoren wie das Herkunftsland, die Religionszugehörigkeit, die Familienverhältnisse oder der ethnische Hintergrund das „sowjetische Gepäck“ beeinflussen und wie sich dieses im alltäglichen Leben der Menschen heute manifestiert? Zwei Fragen sind hierbei erkenntnisleitend: Einerseits eine Annäherung an die spätsowjetische Ereignisgeschichte (Was wird erinnert?), und andererseits die Frage nach den Formen und den Bedeutungswandlungen des Überlieferten (Wie wird erinnert?). Diesem Ansatz liegt das Wissen um die soziale Natur menschlicher Erfahrung und Erinnerung zugrunde, demzufolge wir es stets mit einer Wechselwirkung zwischen individuellen und kollektiven Ebenen des Erinnerns zu tun haben, mit kontextabhängigen Erzählstrukturen sowie mit einem Spannungsverhältnis zwischen kommunikativem und einem nach Kohärenz strebenden, kulturellen Gedächtnis.